Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen


und Religionsunterricht



Buchhinweis














Bibliographische Angaben:

Johannes Ludwig: Abschied vom Pazifismus? Wie sich die Friedensbewegung neu erfinden kann. Verlag Herder . Freiburg 1. Auflage 2024. ISBN: 978-3-451-39749-3




ZUM BUCH:

Für den Autor ist klar, dass in den aktuellen Auseinnandersetzungen um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, die Defizite der Friedensbewegung sichtbar werden: „Das ideologisierte Erbe der Vergangenheit, die mangelnde Rezeption wissenschaftlicher Erkenntnisse und das Abdriften in populistische Diskurse haben sie in die Sackgasse geführt.“ (Klappentext zum Buch). Daraus folgt für ihn, dass die Friedensbewegung zur Zeit keine ernst zu nehmende Stimme in gesellschaftlichen Debatten mehr ist und dass sie sich dringend reformieren muss. Er will Wege darstellen, wie das dies gelingen kann.

 

Das Inhaltsverzeichnis verdeutlicht den Gedanken- und Argumentationsgang.


 

 




Quelle des Inhaltsverzeichnisses: LESEPROBE. https://media.herder.de/leseprobe/978-3-451-39749-3/index.html

INTERVIEW MIT DEM AUTOR: https://bistumlimburg.de/beitrag/fuer-frieden-gibt-es-kein-patentrezept/



zum Autor:

Johannes Ludwig, geb. 1996, studierte Internationale Beziehungen (B.A.), Internationale Sicherheitspolitik (M.A.), International Political Economy (M.Sc.) und kath. Theologie in Dresden, Boston, Paris und London. Mit einer Arbeit zur Menschenrechtspolitik des Heiligen Stuhls wurde er zum Dr. phil. promoviert. Seit 2022 arbeitet er als Referent für Globale Vernetzung und Solidarität im Bistum Limburg.“ (Quelle: Verlagsinformation)




Einordnung für die Bildungsarbeit

Es ist viel zu klären für einen Pazifismus, der glaubwürdig und realitätstüchtig sein will“ (S.8) - so formuliert Wolfgang Thierse im Geleitwort zum Buch. Diese Aussage halte ich für einen wichtigen Bezugspunkt für die Bemühungen in der Bildungsarbeit im Blick auf Möglichkeiten, Friedenschancen zu diskutieren und letztlich Frieden schaffen zu helfen.

Das Buch bietet Anknüpfungspunkte für (besonders auch kontroverse) Diskussionen um die im Buchtitel formulierte Frage „Abschied vom Pazifismus“, besonders auch im Blick auf die Entwicklung von Friedensbewegung(en) in Deutschland.

Der Autor reiht sich mit vielen Bemerkungen und „Faktendarstellungen“ in die weit verbreitete übliche negative Betrachtung von „Friedensbewegung“ ein. Aber für mich bleibt schleierhaft, wen er mit diesem Begriff identifiziert. Für mich stellt sich die Frage : Wen spricht er konkret als „Friedensbewegung an? - (laut Buchtitel ist ja ein Ziel des Buches zu klären „Wie sich die Friedensbewegung neu erfinden kann“)

Also: Wen meint er mit Friedensbewegung? Wer kann sich neu erfinden - wie im Buchtitel versprochen? Wen kann man ansprechen? Bei wem kann man sich engagieren? Wer ist das Ziel der Ratschläge? 

Ein Buch, das „Friedensbewegung“ im Titel führt, diese sogar zu einer „Neuerfindung ihrer selbst“ bestärken will, sollte den Gegenstand des Interesses konkret benennen.

Im Abschnitt „Die Basis der Friedensbewegung“ (S. 94 ff) macht der Autor einen Ansatz zur Identifikation der Friedensbewegung - allerdings insgesamt sehr allgemein und oberflächlich, Vor allem verzichtet er darauf, Akteure von „Friedensbewegung“ wirklich ins Gespräch zu bringen. Er benennt sie nicht einmal konkret:

In diesem Abschnitt spricht er von „drei tragenden Säulen der Friedensbewegung“(S. 94) und benennt als erste Säule „Engagement der politischen Parteien sowie der nahestehenden Gewerkschaften“ (S.95). Genauere Zuordnungen im Blick auf Parteigliederungen und Personen macht er allerdings nicht.  

Als zweite Säule benennt er ganz allgemein „das von den christlichen Kirchen getragene friedenspolitische Engagement“ (S.96). „Pax Christi“ wird etwas genauer in den Blick genommen, aber besteht friedenspolitisches Engagement der Kirchen nur aus „Pax Christi“ und Bischöfen beider Konfessionen? Was ist mit Theologen? Was ist mit ihren fundierten Beiträgen zur Kreegs- und Friedensproblematik? Was ist mit kirchlich orientierten Organisationen, die weltweit Friedensorientierung und Kampf gegen Kriegsfolgen zu tun haben?

 „Die dritte Säule der Friedensbewegung bilden linksalternative und pazifistische Gruppen, deren Mobilisierungspotential in der gesellschaftlichen Breite allerdings schon seit Beginn der Bewegung geringer gewesen war ...“(S. 98 f.) .

Welche Gruppen und Organisationen sind gemeint? Gehören nur linksalternative und pazifistische Gruppen hierhin? Gehören Nichtregierungsorganisationen dazu? Der Autor benennt nicht eine dieser Gruppen mit ihrem Namen - Konkret wird der Autor am Anfang des Buches im Blick auf der Demonstration „Aufstand für den Frieden vom 25. Februar 2023“ in Berlin (S.12). Hier benennt er Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer. Stehen diese beiden Frauen für die Friedensbewegung? Wohl kaum? Stehen die Unterschreibenden der Resolution vor dieser Kundgebung, die auch namentlich benannt werden (S.131) für die „Friedensbewegung“? Nein, dies sind Einzelpersonen ...

Ansonsten: er fügt an „Die im Zuge der COVID - Pandemie erstarkte Gruppe der Querdenker:innen war mit ihren kruden Verschwörungstheorien schon früh auf Friedensdemonstrationen vertreten? “ (S. 99). Die Beschränkung auf eine solche Zuordnung halte ich für polemisch und sehr problematisch.

Wenn so „Friedensbewegung“ eigentlich nicht greifbar wird, ist die Diskussion um eine „neue Orientierung von Friedensbewegung“ in der Bildungsarbeit mit diesem Buch von vornherein doch recht schwierig. Wer soll die ab Seite 189 formulierten „Wege aus der Krise“ aufgreifen? Es geht dem Autor ja nicht um Einzelpersonen, sondern um die „Friedensbewegung“ ...



Der letzte Satz des Buches „Es besteht eben doch ein gewaltiger Unterschied zwischen einer Anti-Kriegs- Bewegung und einer Friedensbewegung“ (S.192) gibt dann neue Impulse für Bildungsarbeit und Unterricht. Zum Beispiel so Vielleicht stehen sich Anti-Kriegs- Bewegung und Friedensbewegung einander näher, als der Autor vermutet - was kontrovers zu recherchieren und zu diskutieren wäre ...

 

(Zielgruppe des Buches: Studierende, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II)




Martin Geisz, 2024