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Buchhinweis














Bibliographische Angaben:

CHRISTINA MORINA: Tausend Aufbrüche. Die Deutschen und ihre Demokratie seit den 1980er Jahren.

Siedler Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH. München 2023.

ISBN 978-3-8275-0132-5




ZUM BUCH:

Ganz offenbar haben die tausend Aufbrüche im Herbst 1989 in der deutschen Demokratiegeschichte ein sehr zwiespältiges Nachleben. Sie haben ein ungekanntes Maß an Hoffnung und Unsicherheit, an Beherztheit und Zweideutigkeit, an politischer Emanzipation und gesellschaftlicher Polarisation entfaltet – und entfalten es noch immer. Häufig wird diese widersprüchliche Bilanz allzu schematisch betrachtet und auf die eine oder andere Seite reduziert: hier die Jahre vor, dort die Jahre nach dem Umbruch von 1989; hier die Diktaturgeschichte der DDR, dort die Demokratiegeschichte der Bundesrepublik; hier die schockartige »Übernahme«-Erfahrung der Ostdeutschen, dort die unverfrorene Abwicklung dieser »Übernahme« durch die Westdeutschen – und schließlich hier die demokratieskeptische, verunsicherte Restgesellschaft, dort die gewachsene, liberalisierte Zivilgesellschaft. Dieses Buch wählt einen anderen Blick, indem es erstmals das Wesen und den Wandel des Demokratie- und Bürgerselbstverständnisses der Deutschen in Ost und West für die Zeit sowohl vor als auch nach der Zäsur von 1989 beschreibt. Sein Interesse gilt den demokratischen Vorstellungs-, Erwartungs- und Erfahrungswelten »ganz normaler« Bürgerinnen und Bürger. Zugleich versucht es die politisch-kulturellen Folgen des Umbruchs von 1989/90 nachzuzeichnen, die das vereinte Land zweifellos beflügelt haben, es aber bis heute immer wieder auch gewaltig verunsichern.“ ( S.13) - So umreißt die Autorin Schwerpunktsetzung und Einordnung ihres Buches.

In ihrer Arbeit stützt sie sich auf Quellen, die bisher in der Forschung noch eine eher untergeordnete Rolle spielen. Sie stützt sich auf Flublätter von Gruppen und Initiativen, auch auf Briefe von Bürgerinnen und Bürger seit 1980. Hierbei wird deutlich, dass sich viele viele DDR-Bürger durchaus mit der DDR und ihren »volksdemokratischen« Idealen einerseits identifizierten, auf der anderen Seite aber gegenüber dem Staat und auch besonders gegenüber seinen Institutionen skeptisch waren. Genau dieses Differenz wirkt für die Autorin bis heute. Deutlich werden auch die Probleme um die im Westen betriebene „Liberalisierung“.

 

Das Inhaltsverzeichnis zeigt Schwerpunkte und Argumentationsgänge.

 

Inhaltsverzeichnis

Einleitung:

Demokratiegeschichte in integrierter Perspektive 9

»1989« in der deutschen Demokratiegeschichte 14

Eine politische Kulturgeschichte »von unten« 17

Historisierung und Gegenwart der Demokratie 20

 

1 Staat, Bürger, Sein:

Was heißt es, Staatsbürger/-in zu sein? 29

Vom Untertan zum Staatsbürger.

Eine kurze deutsche Ideengeschichte 32

»Der Staat bin auch ich.«

Staatsbürgervorstellungen in der Bundesrepublik 45

Eine Frage der Mündigkeit.

Staatsbürgervorstellungen in der DDR 61

 

2 Zweierlei Demokratie:

Land der zwei Republiken 79

Aus Ruinen. Demokratie als Anspruch und Fiktion 83

Lernerfahrung. Demokratie als westdeutscher Möglichkeitsraum 92

Imagination des Politischen.

Demokratiediskurse in der DDR 108

 

3 Tausend Aufbrüche:

Frühling im Herbst 129

»Wir alle«. Öffentlichkeit und Gesellschaft

in Ostdeutschland vor dem Mauerfall 134

Deutsch-deutscher Frühling.

Die Demokratieideen der »friedlichen Revolution« 146

Aufbruch der Alternativen.

Von der Konsensdiktatur zur Konsensdemokratie? 171

 

4 Geteilte Demokratie:

Ankunft in der Berliner Republik 179

Suche nach Überschaubarkeit.

Das letzte Jahr eines geteilten Landes 187

Maß und Mitte jenseits von Bonn.

Selbstfindung einer Republik 192

Verfassungsfragen. Das Ringen um Grundgesetz

und »ostdeutsche Lage« in den 1990er Jahren 217

 

5 Umbruch, Aufbruch, AfD:

Ambivalenzen der Demokratie in der Ära Merkel 237

Demokratie ohne Wunder.

Eine andere Geschichte der Einheit 243

Demokratie als Drohung.

Der Aufstieg des Rechtspopulismus

in deutsch-deutscher Perspektive 249

Die ostdeutsche Kanzlerin

und das Repräsentationsparadox 266

Fazit:

Jenseits der »inneren Einheit« 289

 

 

ÜBER DIE AUTORIN

 

 

Christina Morina ist seit 2019 Professorin für Allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte an der Universität Bielefeld. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Gesellschafts- und Erinnerungsgeschichte des Nationalsozialismus, in der politischen Kulturgeschichte des geteilten und vereinigten Deutschlands sowie in dem Verhältnis von Geschichte und Gedächtnis. Christina Morina studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Journalistik an den Universitäten Leipzig, Ohio und Maryland (USA) und wurde 2007 mit einer Arbeit über den Krieg gegen die Sowjetunion in der deutsch-deutschen Erinnerungskultur promoviert. Sie war von 2008 bis 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo sie sich 2017 mit einer Arbeit über die Ursprünge des Marxismus habilitierte.“ (Verlagsinformation)

 

Leseprobe: https://content.penguinrandomhouse.de/content/edition/excerpts/1062588.pdf

 

 

 




Einordnung für die Bildungsarbeit

Das Buch bietet einen Blick auf die Wende 1989, der so in den im Geschichtsunterricht und in den Fächern der politischen Bildung üblichen Materialien nur selten Platz findet. Darüber hinaus:

Die Kernfragen

- Welche Erwartungen hatten die Deutschen in Ost und West an ihre Demokratie?

- Welche Hoffnungen knüpften sie daran? 

können in der Bildungsarbeit (ab ca. Klasse 9)in Bezug auf die auf die eigene Zukunft gestellt werden und Ausgangspunkt für die Konfrontation mit eigenen Vor(ein)stellungen werden.




Martin Geisz, Dezembber 2023