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Buchhinweis


Stichworte: Kolonialismus, Osteuropa, Deutsches Kaiserreich







Bibliographische Angaben:

Christoph Kienemann: Der koloniale Blick gen Osten. Osteuropa im Diskurs des Deutschen Kaiserreiches von 1871. Verlag Ferdinand Schöningh. Paderborn 1. Aufl. 2018, 310 Seiten. ISBN: 978-3-506-78868-9





Zum Buch:












Deutsche Kolonialgeschichte wird zuehmend wieder Thema – besonders, wenn es um deutscher Kolonien in Afrika geht. Die Frage nach Verantwortung und finanzielle Wiedergutmahungspflichten der Bundesrepublik Deutschland für die Folgen von kolonialer Eroberung und die Vernichtung von Völkern geht. Auch die Frage nach der berechtigten oder unberechtigten Aneignung von Kulturgütern wird (z.B. im Zusammenhang mit dem neu entstehenden Humboldtforum in Berlin) diskutiert.

Dieses Buch setzt einen neuen – durchaus auch überraschenden – Akzent.1 Der Klappentext des Buches formuliert: „ Lag das deutsche Indien in Polen? Der Osten Europas war für die Deutschen im 19. Jahrhundert ein Sehnsuchtsort, in dem man die ideale Projektionsfläche für die eigenen kolonialen Ambitionen gefunden hatte.Im Kaiserreich galt Osteuropa vielen Deutschen als unzivilisiert, chaotisch, primitiv und auf deutsche Kulturleistungen angewiesen. Die östlichen Nachbarn schienen so fern wie der Wilde Westen oder die afrikanische Steppe. Christoph Kiene-mann analysiert den deutschen Osteuropadiskurs hinsichtlich der Frage, ob er als kolonialer Diskurs gelesen werden muss. Auf diese Weise zeigt sich nicht nur, dass Osteuropa für viele Deutsche ein Sehnsuchtsort kolonialistischer Phantasien war, sondern dass der Kolonialismus eine viel größere Bedeutung für die deutsche Gesellschaft um 1900 besaß, als ihm bisher zugeschrieben wurde.“



Der Autor des Buches konkretisiert seine Fragen im ersten Kapitel:

In der vorliegenden Arbeit sollen daher folgenden Fragen beantwortet werden:


- Kann der Osteuropadiskurs des Kaiserreiches als ein kolonialer Diskurs interpretiert werden?

- Welche Rolle spielt dieser Diskurs für die nationale Identität der Deutschen?

- Aus welchen Elementen besteht der koloniale Osteuropadiskurs?

In welchem Zusammenhang steht der Osteuropadiskurs zu den globalen Überseediskursen?

- Welchen Einfluss nimmt der Diskurs auf die politischen Entscheidungen im Kaiserreich?“ (S. 11) .…



Inhaltsverzeichnis

1.1 Fragestellung und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . 8

1.2 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.3 Historische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.4 Quellenkorpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2. Methodische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2.1 Diskurs als Raum des Sagbaren . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2.2 Kolonialismus und kolonialer Diskurs . . . . .. . . . . . . . . . . . . 42

2.3 Historische Stereotypenforschung . . . . . . . . . . . . . . 49

3. Analyse – Die Elemente des Diskurses . . . . . . . . . . . 55

3.1 Der koloniale Osten – Raumvorstellungen im Osteuropadiskurs . . . 55

3.2 Die Kultur Osteuropas im Blick der Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

3.3 Der Osten als Failed State? – Staatlichkeit und Wirtschaftsweisen

im Blick des Osteuropadiskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

3.4 Unter dem kolonialen Blick – die Menschen Osteuropas . . . . . . . . 180

4. Wie funktioniert der koloniale Osteuropadiskurs? –

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

5. Perspektiven und Ausblicke . . . . . . . . . . . . . . 243

5.1 Deutsche Kriegsziele und Besatzung in Osteuropa während

des Ersten Weltkrieges – der Diskurs im Raum des Möglichen . . . 243

5.2 Hitlers Vision für den ‚Osten‘ – Kontinuitäten . . . . .. . . . 257

5.3 Die Vertreibung der Deutschen als Dekolonisationserfahrung? . . 266

6. Die Deutschen – ein koloniales Volk auf identitärem

Sonderweg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

7. Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . .. . . . . . . . . . . 289

I. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

II. Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

III. Abbildungen

8. Personenindex

Leseprobe: https://www.schoeningh.de/uploads/tx_mbooks/9783506788689_leseprobe.pdf (Aufruf 27.9.2018)



Einordnung für die Bildungsarbeit



Die vom Autor eingebrachte Sicht auf Osteuropa ist bisher nicht Teil der schulischen Schwerpunktsetzungen. Im Zuge der neuen Diskussionen zu den Kolonien Deutschlands – sollten auch für die Lehrpläne neue Akzente gesetzt werden. Dieses Buch eröffnet viele neue Sichtweisen der Frage nach der Bedeutung von „Kolonialismus“, die auch in der Bildungsarbeit aufgegriffen werden sollten.



Martin Geisz, 2018



1Die vorliegende Arbeit versteht sich daher als ein Beitrag zur deutschen National- und Kolonialgeschichte, die ihren Fokus über die ‚Schutzgebiete’ hinaus erweitert. Durch diesen kolonialgeschichtlichen Fokus auf die deutsch-osteuropäischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg, sollen neue Perspektiven auf die Vorbedingungen späterer auf den Osten gerichteter Diskurse und Maßnahmen, wie z. B. auf die Kriegszieldebatte während des Ersten Weltkrieges, den Revisionismus bezüglich der verlorenen Ostgebiete in der Zwischenkriegszeit, die „Lebensraum“-Ideologie der Nationalsozialisten sowie deren Minderheitenpolitik in Osteuropa, den Holocaust, oder abschließend auf den Diskurs über Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa in der Bundesrepublik gewonnen werden. ...“ (S.9 f.)