Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen


Buchhinweis


Stichworte: Migration, Flucht, Asyl, Menschenrechte, Staatsrecht










Bibliographische Angaben:



Cassee, Andreas: Globale Bewegungsfreiheit. Ein philosophisches Plädoyer für offene Grenzen. Suhrkamp Verlag. suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2202. Berlin 2016. ISBN: 978-3-518-29802-2






Zum Buch:












Die Probleme um „Flucht“ und „Suche nach Asyl“ sind gegenwärtig nicht zu übersehen. Vielmehr prägen sie weltweit gesellschaftliche und politische Berichterstattung und Diskussion, dienen gerade populistischen Parteien und Bewegungen als willkommener Bezugspunkt ihrer politischen Propaganda. In der Diskussion spielen in der Regel Fragen um die Möglichkeiten, Flüchtlinge fernzuhalten, Flüchtlinge wieder 2loszuwerden“ die Hauptrolle. Die Fragen nach ethischen Werten oder politischen Errungenschaften (wie die Bedeutung des Asylrechts) eine eher ungeordnete Rolle.


Der Autor greift die Problematik so auf:

Die neuen Fluchtbewegungen und ihre Entwicklungen „werfen eine ganze Reihe von drängenden ethischen Fragen auf. Sollte das internationale Asylregime legale Kanäle für die Einreise von politischen Flüchtlingen schaffen? Ist die kategorische Unterscheidung zwischen »richtigen« politischen Flüchtlingen und »falschen« Wirtschaftsflüchtlingen aus ethischer Perspektive überhaupt haltbar? Und sollten wir der Verhinderung vermeidbarer Todesfälle nicht ohnehin den Vorrang einräumen gegenüber anderen Politikzielen, so legitim diese ansonsten auch sein mögen?

Aber die grundlegendste philosophische Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist sicher die, mit welchem Recht Staa-ten überhaupt den Anspruch erheben, darüber zu verfügen, wer in ihr Staatsgebiet einreisen und sich dort niederlassen darf und wer nicht. Lässt sich ein staatliches Recht auf Ausschluss gegenüber Einwanderungswilligen mit guten Gründen rechtfertigen? Oder sollten wir langfristig eine Welt anstreben, in der jeder Mensch frei darüber entscheiden kann, auf welchem Fleck der Erdoberfläche er sich aufhalten möchte, ohne den jeweiligen Staat um Erlaubnis bitten zu müssen? Das ist die zentrale Fragestellung dieses Buches“. (S.9 f.) - „Aus rechtlicher Sicht sind Einwanderungsbeschränkungen also legal. Doch lässt sich dieser rechtliche Status quo auch mit guten Gründen rechtfertigen? Haben Staaten (beziehungsweise ihre Bürgerinnen) ein moralisches Recht, die Zuwanderung auf ihr Territorium zu beschränken? Sind Staaten unter moralischen Gesichtspunkten mit privaten Vereinen vergleichbar, deren Mitglieder frei darüber entscheiden dürfen, wen sie als neues Mitglied aufnehmen wollen nd wen nicht?Oder gibt es überzeugende Argumente dafür, dass Staaten eher wie Schweizer Kantone oder wie deutsche Bundesländer aussehen sollten, die normalerweise keine Kontrolle über den Zuzug von Menschen aus anderen Kantonen respektive Bundesländern haben? Das ist die Fragestellung, der dieses Buch nachgeht.“ (S.15)


Das Buch bietet in 2 Teilen eine vertiefende Auseinandersetzung mit ausgewählten Positionen, die sich in dieser Auseinandersetzung zu Wort melden. Das Inhaltsverzeichnis vermittelt einen Einblick in die Schwerpunkte.



Inhalt

Vorwort ...........................................9

1.Einleitung ......................................12


Teil I Argumente für ein Recht auf Ausschluss

2. Die Standardansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.1 Das Recht auf Ausschluss: Ein Recht worauf? .......21

2.2 Staatlicher Zwang und moralische Rechtfertigung ....29

2.3 Kulturelle und institutionalistische Argumentations- strategien ......................................31

3.Staaten als Clubs? Wellman über Vereinigungsfreiheit 38

3.1 Wellmans Argument ............................40

3.2 Wenn Staaten wie Clubs wären...................45

3.2.1 Die Aufnahmepolitik von Clubs als moralfreie Zone? 46

3.2.2 Ein Recht, bisherige Mitglieder und ihre Nachkommen auszuschließen?..................49

3.2.3 Politischer und territorialer Ausschluss ..............52

3.2.4 Zwischenfazit ...................................55

3.3 Weshalb Staaten nicht wie Clubs sind ..............57

3.3.1 Partikuläre Projekte vs. gerechter Rahmen ...........58

3.3.2 Kollektive Ausschlussrechte und individuelle Outside-Optionen....................................61

3.3.3 Territorialstaaten als Container-Assoziationen ........63

3.4 Die Roten und die Blauen ........................67

4.»Das ist unser Land!« Pevnick über kollektive Eigentumsrechte ........... 70

4.1 Pevnicks Argument ..............................70

4.2 Vier Probleme für Pevnick........................74

4.2.1 Aneignungstheoretische Prämissen..................75

4.2.2 Historisches Unrecht.............................79

4.2.3Territorialität....................................82

4.2.4 Unfreiwilligkeit und die Asymmetrie zwischen Einwanderern und neuen Generationen ................89

4.3 Eigentum und Exklusion .........................93

5. Ein Recht auf kulturelle Eigenständigkeit? Walzers Kommunitarismus.......................97

5.1 Die kommunitaristische Kritik am Liberalismus .....102

5.2 Walzer über Mitgliedschaft ....................... 104

5.3 Vom Kulturrelativismus zur »gemeinschaftlichen Eigenständigkeit«?.............107

5.3.1 Deskriptiver und metaethischer moralischer Relativismus 108

5.3.2 Wessen gemeinschaftliche Verständnisse?............111

5.4 Ohne Kulturrelativismus zur »gemeinschaftlichen Eigenständigkeit«?.............117

5.4.1 Die Analogie zur Familie ..........................118

5.4.2 Der Wert kultureller Diversität ..................... 121

5.5 Ein Korrektiv, aber keine Alternative...............128

6.Liberaler Nationalismus? Die Argumente von Miller und Kymlicka ...........130

6.1 Miller über grundlegende Rechte und den intrinsischen Wert der Nation .............131

6.1.1 Das negative Argument: Grundlegende Rechte und bloße Freiheiten...............132

6.1.2 Eine Pattsituation?...............................137

6.1.3 Ein Argument über Anreize? ....................... 139

6.1.4 Spezielle Verpflichtungen und der intrinsische Wert der Nation .................... 141

6.1.5 Territoriale Rechte ............................... 144

6.1.6 Kritik ..........................................146

6.2 Kymlicka über nationale Zugehörigkeit und individuelle Freiheit .........................148

6.2.1 Individuelle Freiheit und der kulturelle Wahlkontext ..149

6.2.2 Kulturelles Material oder eine nationale Kultur?......152

6.2.3 Kulturelle Kontinuität oder der Erhalt von Kulturgrenzen? ......................154

6.3 Kulturelle Homogenität als Voraussetzung gerechter Institutionen? ..........157

6.3.1 Eine empirische Frage? ............................158

6.3.2 Motivationale Stabilität in der idealen Theorie ........161

6.3.3 Nichtideale Theorie: Einwanderungsbeschränkung als kleineres Übel? ...........163

6.4 Fazit ..........................................165


Teil II Individuelle Selbstbestimmung und internationale Mobilität

7. Drei Einwände gegen die Standardansicht .......... 171


7.1Individuelle Freiheit.............................171

7.1.1 Libertäre und vertragstheoretische Argumente........172

7.1.2 Analogieargumente...............................175

7.2 Globale Verteilungsgerechtigkeit ..................183

7.2.1 Ist Migration ein geeignetes Mittel zur Reduktion globaler Ungleichheit?....................187

7.2.2 Ist Migration das richtige Mittel?...................194

7.2.3 Ist globale Verteilungsgerechtigkeit überhaupt gefordert?..................................198

7.3Demokratie ....................................201

7.3.1 Einwanderungsbeschränkung als Zwang?............204

7.3.2 Demokratische Legitimität und moralische Rechtfertigung..........................205

8. Ein Recht auf globale Bewegungsfreiheit............ 210


8.1

Worauf ein Recht auf globale Bewegungsfreiheit (k)ein Recht wäre ...............................211

8.2 Innerstaatliche und zwischenstaatliche Bewegungsfreiheit .............. 216

8.2.1 Bewegungsfreiheit und individuelle Autonomie ....... 218

8.2.2 Genügend Auslauf vs. freie Bewegung ............... 221

8.2.3 Bewegungsfreiheit als Schutzmechanismus gegen politische Ungleichheit und Unterdrückung? .......................227

8.3 Selbstbestimmte Migration als falsche Idealisierung? ..230

8.4 Fazit ..........................................232

9. Das vertragstheoretische Argument ................234


9.1Einstufige oder zweistufige Vertragstheorie?.........236

9.1.1 Toleranz gegenüber nichtliberalen Gesellschaften ...... 240

9.1.2 Getrennte Grundstrukturen ....................... 243

9.1.3 Einzelstaatliche Eigenverantwortung ................ 247

9.1.4 Eine realistische Utopie ........................... 250

9.2 Migration im globalen Urzustand .................251

9.2.1 Hintergrundannahmen: Ideale und nichtideale Theorie 252

9.2.2 Die Wahl eines Systems territorialer Rechte ..........254

9.2.3 Die Grundlagen der Bewegungsfreiheit .............. 257

9.3 Einschränkungen ............................... 261

9.3.1 Die Restriktion der öffentlichen Ordnung ........... 262

9.3.2 Grade der innerstaatlichen Gerechtigkeit ............ 266

9.3.3 Vorrang der Freiheit? ............................. 268

9.3.4 Vorrang der innerstaatlichen Gerechtigkeitsverwirklichung?..........................271

9.3.5 Kulturelle Kontinuität ............................ 276

9.4 Fazit ..........................................278

10. Schluss: Ein Paradigmenwechsel...................279


zum Autor: Andreas Cassee hat an der Universität Zürich zur Ethik der Migration promoviert und ist SNF Fellow an der Freien Universität Berlin.1

Leseprobe: http://www.suhrkamp.de/download/Blickinsbuch/9783518298022.pdf






Einordnung für die Bildungsarbeit



Die Thematik des Buches steht mitten im Globalen Lernen. Migration, Flucht und Asyl sind für alle greifbare Ergebnissen von globalen Entwicklungen, die Menschen dazu bringen, ihrer Heimat zu verlassen und neue Lebensmöglichkeiten zu suchen.

Das Buch stellt die Fragen nach den ethischen, rechtlichen und natürlich auch nach den gesellschaftlichen und politischen Grundlagen unseres Denkens und politischen Verhaltens. Es bietet Diskussionsthemen und Positionen für die auch in der Bildungsarbeit aufzugreifenden Problemstellungen (für Studierende und Lehrkräfte und fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II in den entsprechenden Leistungskursen).



Martin Geisz, 2017



1http://www.suhrkamp.de/autoren/andreas_cassee_14559.html