Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen


Buchhinweis


Stichworte: Weltreligionen, Christentum, Islam, interreligiöser Dialog, Religionsunterricht








Bibliographische Angaben:


Klaus von Stosch: Herausforderung Islam. Christliche Annäherungen. 208 Seiten. Verlag Ferdinand Schöningh. Paderborn 2016. ISBN: 978-3-506-78494-0






Zum Buch:










Islam ist in der öffentlichen Diskussion Thema. In der Gesellschaft wird gestritten, ob der Islam zu Deutschland und Europa gehöre. Auch sonst eher vorsichtig agierende Personen im öffentlichen Leben lassen durchblicken, dass der Islam letztlich fremd (und oft auch bedrohlich) sei. Religionsgemeinschaften und Theologen bemühen sich zwar um interreligiöses Gespräch und zeitweise auch Dialog, bleiben aber in der Regel in ihren Ansätzen stecken – letztlich auch, weil die gern gepflegte Rede von dem „einen Gott, der alle Menschen und Religionen verbindet“ eher eine ziemlich leere Formel ist, die von vielen Beteiligten letztlich doch aus der eigenen „überlegenen“ Position heraus gesprochen wird. Der eigene Glaube ist jeweils letztlich doch der Überlegene. Eine Würdigung der jeweils anderen Glaubenshaltung wird wenig versucht und bleibt oft genug aus.

Der Autor dieses Buches, ein Professor für katholische Theologie, macht sich das Verhältnis von Christentum und Islam zum Thema – eine Thematik, die auch in den Katholisch – Theologischen Fakultäten der Universitäten ganz am Rande steht. Er beschreibt in der Einleitung sein Programm einer Annäherung von Christentum (der Religion des Autors) an den Islam so: „Angesichts dieser aufgeladenen Diskussionslage zwischen Stigmatisierung des Islams als dem Anderen Europas und seiner pluralistischen Vereinnahmung möchte ich mit diesem Buch ein wenig Differenzierungsarbeit leisten. Ich will mich dabei – getreu der aus King Lear geborgten Maxime des späten Wittgenstein »I’ll teach you differences« – auf Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum konzentrieren. Dabei versuche ich zu zeigen, dass gerade diese Unterschiede eine Bereicherung für das Christentum darstellen, sodass Verschiedenheit Anlass für Lernprozesse bieten kann, statt Trennung und Abgrenzung zur Folge zu haben. Es geht mir also um ein unterscheidendes In-Beziehung-Setzen beider Religionen, und ich greife dafür zum einen ausführlicher Diskussionskomplexe um den Koran, Muhammad und das muslimische Gottesbild auf (Kap. I– III) und wende mich zum anderen dem islamischen Recht, Menschenbild und der Gewaltproblematik zu (Kap. IV–VI). Ich hoffe, dabei alle heißen Eisen in der gegenwärtigen Debatte über den Islam aufzugreifen, und versuche, vom Kopftuch über die Gewalt gegen Andersglaubende bis zur Scharia prägnante Themen zu diskutieren, die derzeit mit dem Islam verbunden werden. Das Sachregister soll hier dem Leser oder der Leserin eine schnelle Orientierung und ein Auffinden der sie interessierenden Themen ermöglichen. Abgeschlossen wird mein Buch mit einer Reflexion auf das Verhältnis von Christentum und Islam, das zeigen soll, was Christen von Muslimen lernen können und welche heilsgeschichtliche Rolle der Islam in christlicher Perspektive spielen könnte (Kap. VII ). Dabei ist es an keiner Stelle mein Anspruch, den Islam mit dem Christentum zu vergleichen“. (S. 8 f)



Das Inhaltsverzeichnis gibt einen Einblick in den Gang der Bearbeitung. Es zeigt besonders das Bemühen um eine differenzierte Vermittlung der islamischen theologischen Positionen unter deutlicher Einbeziehung von grundlegenden Differenzen, ganz besonders im Blick auf den

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Der Koran als Ereignis der Gegenwart Gottes

1. Zur Entstehung des Korans in historisch-kritischer Perspektive

2. Zur Bedeutung des Korans in der islamischen Schultheologie

3. Zur ethischen Rekonstruktion der koranischen Geltungsansprüche

4. Zur Unnachahmlichkeit des Korans

5. Der Koran – ein Wort Gottes auch für Christen?

II . Muhammad als Gottes Gesandter

1. Eckdaten zur Biografie Muhammads

2. Die muslimische Begeisterung für Muhammad

3. Die westliche Skepsis gegenüber Muhammad

4. Muhammad – ein Prophet auch für Christen?

III . Zeugnis für den einen Gott

1. Einzigkeit und Unvergleichlichkeit Gottes

2. Barmherzigkeit als Wesenseigenschaft Gottes?

3. Gottes Erfahrbarkeit und die Vielfalt seiner Eigenschaften

4. Von der Schönheit und vom Schrecken Gottes

5. Glauben wir an denselben Gott?

IV. Islam im Vollzug – Beten, Fasten, Pilgern, Teilen

1. Ein christlicher Zugang zu den fünf Säulen des Islams

2. Islam und Recht

3. Mehr Scharia wagen?

V. Der Mensch als Statthalter Gottes

1. Zur Würde und Ambiguität des Menschen

2. Zum Ringen um die menschliche Willensfreiheit

3. Zur Geschlechtergerechtigkeit

VI . Modernisierung und Gewalt

1. Monotheistische Religionen und Gewalt

2. Exemplarische Auseinandersetzung mit Gewaltversen aus dem Koran

3. Der islamische Fundamentalismus als Kind der Moderne

VII Islam und Christentum – zum bleibenden Sinn ihrer wechselseitigen Verwiesenheit

1. Christliche Perspektiven auf den koranischen Jesus in den mekkanischen Suren

2. Christliche Perspektiven auf den koranischen Jesus in den medinensischen Suren

3. Christentumsfreundliche Wendung in Spätmedina und Ertrag der koranischen Jesusaussagen aus christlicher Sicht

4. Was wir Christen von Muslimen lernen können

5. Der bleibende Skandal des Kreuzes

Anmerkungen

Ausgewählte Literatur

Personenregister

zum Autor: Klaus von Stosch ist Professor für Katholische Theologie (Systematische Theologie) und ihre Didaktik an der Universität Paderborn.




Einordnung für die Bildungsarbeit



Globales Lernen wird sich das Verhältnis der Weltreligionen untereinander immer wieder in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen zum Thema machen müssen – neben den fächern der politischen Bildung besonders in den weltanschaulich orientierten Fächern.

Fächer wie Ethik, Werte und Normen, LER und/oder Philosophie machen sich zwar Religionen zum Thema, stellen sich aber eher weniger theologischen Auseinandersetzungen und Fragen von möglichen „Annäherungen“ oder „Dialog“ von Weltreligionen. Der Religionsunterricht in den christlichen Konfessionen ist in den allgemeinbildenden Schulen in Deutschland ein konfessionsgebundener Unterricht, unter den prüfenden Blicken kirchlicher Aufsicht (auch wenn sich Lehrkräfte und SchülerInnen an vielen Schulen einem interreligiösen Dialog stellen und gegen die Rechtslage oft andere Organisationsformen praktizieren). Lehrpläne und Prüfungsvorgaben sind nicht ohne Zustimmung kirchlicher Aufsicht möglich. Islamischer Religionsunterricht ist bundesweit die Ausnahme, dort wo er in der Sekundarstufe II stattfinden würde, wäre ebenso die Anbindung an eine religiöse Autorität gegeben.

Der Ansatzpunkt, den Klaus von Stosch in diesem Buch - übrigens durchaus in engem Dialog mit islamischen Theologen verfolgt (z.B.: „Dabei versuche ich zu zeigen, dass gerade diese Unterschiede eine Bereicherung für das Christentum darstellen, sodass Verschiedenheit Anlass für Lernprozesse bieten kann, statt Trennung und Abgrenzung zur Folge zu haben“ - S. 9), kann einem so durch rechtliche Vorgaben festgelegten (und von Anfang an im Blick auf die anderen Religionen eingeengten Blick) Unterricht neue Impulse geben. Sie gehen weit über die in den Plänen vorgesehenen „Grundkenntnisse“, „Vergleiche“ und „theologische Einordnungen hinaus“ und berühren persönliche Glaubensüberzeugungen von Lehrkräften und SchülerInnen.

Studierende, Lehrkräfte und fortgeschrittene SchülerInnen der Sekundarstufe II sollten dieses Buch nutzen. Es sollte in den Schulbibliotheken stehen.

Das Problem wird allerdings sein, dass die von Klaus von Stosch im Buch verfolgten und vorgestellten Denkwege - genauso wie die Argumentationswege - gute und differenzierte Kenntnis christlicher Theologie und ein großes Methodenrepertoire wissenschaftlicher Arbeit voraussetzen, über das besonders SchülerInnen noch nicht verfügen.

Eine Diskussionsanregung darüber hinaus: Es wäre an der Zeit, einen Unterricht in den Schulen zu verankern, der nicht von (zumindest indirekter) kirchlichen Vorgaben bestimmt wird, sondern in dem sich Beteiligte mit ganz unterschiedlichen weltanschaulichen Voraussetzungen gemeinsam auf die Suche machen – übrigens durchaus im Sinne der von Klaus von Stosch wesentlich mitgeprägten „Komparativen Theologie und Kulturwissenschaft“.

(Weitere Informationen:

Link:Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften: https://de.wikipedia.org/wiki/Zentrum_f%C3%BCr_Komparative_Theologie_und_Kulturwissenschaften

Klaus von Stosch: Komparative Theologie – ein Ausweg aus dem Grunddilemma jeder Theologie der Religionen? https://kw.uni-paderborn.de/fileadmin/fakultaet/Institute/kath-theologie/Systematische_Theologie/Prof._Dr._Klaus_von_Stosch/Publikationen/3._Artikel_Articles/4._Komparative_Theologie.pdf ).




Martin Geisz, Dezember 2016