Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen

Buchhinweis


Stichworte: Medien, Publik, gesellschaftliche Entwicklungen, katholische Kirche, II.Vatikanisches Konzil









Bibliographische Angaben:



Florian Bock: Der Fall »Publik«. Katholische Presse in der Bundesrepublik Deutschland um 1968. , 553 Seiten, Verlag Ferdinand Schöningh. Paderborn 2015.ISBN: 978-3-506-76642-7






Zum Buch:











1968 wurde Publik als eine neue Form katholischer Wochenzeitung, die nicht mehr als „Kirchenzeitung“ und „kirchliche Presse“ identifiziert werden wollte mit offizieller kirchlicher Unterstützung herausgebracht. Sie sollte sich in freiem Verkauf und Abonnements entfalten. Es war eine Versuch der Anwendung der Ergebnisse des II. Vatikanums ( „aggiornamento – Öffnung zur Welt“ ) auf die Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Publik war von Anfang an umstritten und Gegenstand harter Auseinandersetzungen. „In den Auseinandersetzungen spiegelten sich die zum Teil scharfen Polarisierungen im deutschen Katholizismus wider: Eine jüngere, intellektuelle Redaktion versuchte ihre Interpretation des konziliaren aggiornamento gegen die Widerstände eines Großteils der Bischöfe und trotz eines nachlassenden Leserinteresses durchzusetzen. Dieser Versuch fand seinen Niederschlag in einer verstärkt als »progressiv« und »links«lastig wahrgenommenen Zeitung. Die »Publik«-Redakteure loteten die Grenzen im bundesdeutschen Katholizismus neu aus. Ihre Vorstellungen von »Kirche« überforderten allerdings die Mehrheit der deutschen Katholiken.“1 (Klappentext)

Die Bischöfe – nicht zuletzt als Geldgeber – kritisierten die ungenügenden Verkaufszahlen, aber auch in großen Teilen (mit Ausnahmen) die Positionierungen der Redaktion. Publik wurde schließlich im November 1971 eingestellt. Damit war auch ein Versuch einer Öffnung katholischer Publizistik im Blick auf die Ergebnisse des II. Vatikanums in der Bundesrepublik Deutschland gescheitert. Das Buch gibt einen sehr ausführlichen Überblick über die innerkatholische Kommunikation im Zusammenhang mit dem Projekt „Katholische Wochenzeitung (Publik)“


Übrigens: Die Leserinitiative »Publik« versuchte bald die Zeitung ohne hierarchische Unterstützung fortzuführen. Sie baute mit »Publik-Forum« eine Nachfolgezeitschrift auf. „Publik Forum“ existiert bis heute, ist inzwischen ökumenisch orientiert. Sie ist gegenwärtig eine wichtige kritische Stimme – nicht nur im deutschen Katholizismus ist.


Der Autor dieser umfassenden Untersuchung umschreibt sein Programm im Vorwort so: „Die deutschen Bischöfe beschlossen, dem Verlustobjekt Publik keine weiteren Gelder zur Verfügung zu stellen. Für die Begründung dieser Entscheidung konkurrieren seitdem zwei verschiedene Interpretationen: Neben der ökonomischen – Publik als finanzielles Minusprojekt, das die Kirchensteuer der Gläubigen verbraucht – auch eine so genannte »metaökonomische«, die davon ausgeht, dass Bischöfe und Redaktion sich nicht mehr über den Kurs der Zeitung und damit letztlich über die Auslegung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965), aus dessen »Geist« Publik entstanden war, einigen konnten.

...

Auf einer ersten Ebene sollen Gründung, Bestehen und Ende der katholischen Wochenzeitung (zunächst als KWZ abgekürzt) anhand der in überwiegender Mehrheit erstmals zugänglichen Quellen aufgearbeitet werden.

Auf einer zweiten Ebene ist die Zeitung Publik Mittel zum Zweck, um einen Einblick in die situative Verfasstheit des damaligen, nachkonziliaren Katholizismus und die in ihm enthaltenen, teilweise konkurrierenden Narrative um die »richtige« Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils zu bekommen. Was ging in der konziliaren resp. Nachkonziliaren Zeit der »langen 1960er Jahre«19 (1957–1973) in katholischen Köpfen vor, eine konfessionelle Wochenzeitung namens Publik dennoch herauszubringen? Glaubten die Macher der Zeitung noch an »die gesellschaftspolitische katholische Position«, den »weltanschaulich katholischen Blickwinkel« und das »rein Katholische «, ... Und wenn ja, wie ließen sich diese Überzeugungen medial vermitteln? Schließlich: Kann es … wirklich als eine Art Naturgesetz umschrieben werden, dass ein Projekt wie Publik scheiterte? Oder waren es nur ganz bestimmte, zeithistorisch zu erklärende Drehmomente, die einen nachhaltigen Erfolg der Wochenzeitung verhinderten?“ (Vorwort).


Das Inhaltsverzeichnis spiegelt die Vielfalt der gewählten Zugänge und lässt die Menge der verarbeiteten Quellen, die zu einem wichtige Teil in diesem Buch erstmals in Darstellung und Analyse einbezogen sind, erahnen. Das Ergebnis gibt der kirchengeschichtlichen Betrachtung ebenso viele neue Impulse wie der Beschäftigung mit (katholischer) kirchlicher und gesellschaftlicher Publizistik, war doch „Publik“ auch Konkurrent der katholischen Bistumszeitungen und vor allem anderer Wochenzeitungen wie „DIE ZEIT“ oder Wochenzeitungen aus dem kirchlichen Umfeld „Rheinischer Merkur“ sowie „Christ und Welt“ als auflagenstarke Wochenzeitung aus dem evangelischen Bereich. Auch der Blick auf die Zeit nach der Beendigung von Publik - „Publik Forum“, als unabhängige Publikation von einer Leserinitiative getragen, ist in diesem Buch von - vielen Quellen untermauert – ein wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte von Medien.


***

INHALTSVERZEICHNIS


VORWORT...................................................... 13

VERZEICHNIS DER SIGLEN UND ABKÜRZUNGEN........................ 15

I. EINLEITUNG: KONFESSIONELLE PUBLIZISTIK IM

»SÄKULAREN ZEITALTER«?.................................... 17

1. Bisheriger Forschungsstand ............................... 21

2. Leitfragen............................................. 27

3. Methodische Herangehensweise........................... 32

4. Quellen . .............................................. 37

Exkurs: Plädoyer für eine Historisierung der

Säkularisierungstheorie ..................................... 41

II. DIE ANFÄNGE VON PUBLIK ALS KWZ (1965–1968) ................ 47

1. Gute Presse, schlechte Presse. Katholische Kirche und

Publizistik............................................. 47

2. »Organisierte Selbstbewunderung« am Vorabend

des Konzils . ........................................... 55

3. Akteure und Konzeptionen nach dem Konzil ................ 60

a) Das bischöfliche Interesse an einer katholischen

Tages-/Wochenzeitung . ............................... 66

b) Die Gründung einer neuen Wochenzeitung? . ............. 71

c) Das Echo auf Suttners Programmschrift »Katholische

Presse in Deutschland« . ............................... 75

4. KWZ als Kirche in der Welt: erste konzeptionelle

Überlegungen.......................................... 79

a) Volle redaktionelle Freiheit oder »mens episcoporum«? .... 79

b) Ein Treuhändergremium als Puffer ...................... 85

c) Ein Forum der Diskussion . ............................ 89

5. Weitere Konkretionen: Expertenbefragung und

Marktforschung ........................................ 91

a) Nussberger-Gutachten und Gründungsbeschluss

im Februar 1967 ..................................... 92

b) Allensbach-Gutachten . ............................... 96

8 Inhaltsverzeichnis

6. Konkurrenzempfinden . .................................. 106

a) Eine Kontroverse mit dem Echo der Zeit . ................ 110

b) Das Essener RuhrWort als Bundesausgabe der

Bistumsblätter? . ..................................... 119

c) Präsenz von Kirche in der Gesellschaft. Die Kontroverse

Suttner – Wagner ..................................... 128

d) »Mangel an Solidarität« von Bistumspresse und KNA...... 136

e) »In eigener Sache«. Ein Sonderdruck des

Rheinischen Merkur .................................. 142

7. Redaktionsstandort, Namenswahl und redaktionelle Besetzung 144

8. Die Frage der Finanzierung ............................... 156

a) »Aufstand« der Generalvikare . ......................... 157

b) Die Antworten der Diözesen........................... 160

9. Der endgültige Startschuss . ............................... 171

a) Eine erneute Umfrage: Pressestimmen zum Projekt

KWZ 1967.......................................... 171

b) Konstituierung von Treuhändermodell, Stiftung

und KWZ ........................................... 179

c) Ausbau im PR-Bereich . ............................... 186

10. Zwischenfazit.......................................... 192

III. DAS PROFIL VON PUBLIK 1968 BIS 1971 ......................... 195

1. Publik und der Essener Katholikentag ...................... 203

Exkurs: Was heißt Linkskatholizismus?..................... 210

2. Erste Leser- und Pressereaktionen auf Publik ................ 214

3. Theologie und Kirchenpolitik in Publik . ................... 220

a) »Trost bei Trost«?.................................... 222

b) Die Einrichtung eines theologischen Beirates ............. 231

c) Von der Heiratsanzeige eines Ex-Kaplans. Inserate in und

von Publik.......................................... 236

d) Auf Empfehlung des »Herrn Pfarrers«. Werbung durch

Drückerkolonnen.................................... 238

e) Die Staudinger-Affäre................................. 240

4. Publik und Politik. Verhältnisbestimmung zur CDU/CSU,

SPD und FDP.......................................... 242

a) »Die SPD ist heute wählbar für alle.« Das Beispiel

Lengsfeld ........................................... 245

Inhaltsverzeichnis 9

b) »Buhmann Sozialismus« oder »Rechtskartell«?............ 248

c) Anzeigen-Boykott der CDU? . ......................... 253

d) Das Publik-Faksimile zur Bundestagswahl 1972 . .......... 255

5. Zwischenfazit.......................................... 259

Exkurs: Die Rhein-Mainische Volkszeitung als Vorläufer

von Publik? . ........................................... 262

IV. DIE FINANZIELLE KRISE VON PUBLIK ............................ 269

1. Der ernüchternde Blick auf die Zahlen..................... 270

2. Eine knappe Entscheidung: das Ja zur Weiterfinanzierung

im Jahr 1969 ........................................... 277

a) Die Publik-Gegner: die »Kölner Fraktion«............... 279

b) Die Publik-Freunde: die Publizistische Kommission

der Bischöfe . ........................................ 281

c) Das Scheitern der Gegner: Publik besteht weiter .......... 284

3. Die Einrichtung eines Aufsichtsrates . ...................... 286

4. Die Jahre 1970/71: Kleinkrieg zwischen Chefredaktion

und Geschäftsführung . .................................. 289

5. Zwischenfazit.......................................... 299

V. DER »TOD« VON PUBLIK ..................................... 301

1. Der Anfang vom Ende: der Zeitraum von Mai bis

Oktober 1971.......................................... 303

2. Telegramm nach Rom im Oktober 1971 . ................... 307

3. Reaktionen aus dem ZdK und der Publik-Geschäftsleitung .... 312

4. Die Sitzung des VDD am 15. November 1971............... 316

5. »Streit am Grabe« von Publik: das öffentliche Echo über

die Einstellung . ........................................ 319

a) Ein »Bischofstribunal«? ............................... 321

b) Ein Niedergangsszenario von »links« und »rechts« . ....... 323

c) Wer hat wie abgestimmt?.............................. 327

d) Publik-kritische Stimmen.............................. 332

6. Innerkatholische Kontroversen an der Münsteraner Fakultät... 334

7. Die Abwicklung der Wochenzeitung . ...................... 346

10 Inhaltsverzeichnis

8. Zwischenfazit.......................................... 353

a) Der Tod Suttners ..................................... 354

b) Wer ist zuständig? Unklare Kompetenzverteilung......... 356

c) Desaströse wirtschaftliche Lage........................ 357

d) Überraschende Finanzierung des Rheinischen Merkur...... 361

e) Publik: eine Zeitung, die ihre Leser überfordert . .......... 366

VI. PUBLIK ALS MEDIUM EINES KIRCHENBILDES ...................... 371

1. Publik pastoral: Volk Gottes und Nouvelle Théologie......... 372

2. Agenda-Setting bei Publik: die Weltverantwortung

der Christen ........................................... 375

3. Konfliktbegriff »Forum«................................. 381

a) Zwischen »kategorialer Seelsorge« und fehlendem

»sentire cum ecclesia«................................. 385

b) Falsch kalkulierte Zielgruppe: die katholischen

Intellektuellen kaufen nicht ............................ 389

4. Der bundesdeutsche Katholizismus um 1968: Polarisierung

statt Konsens ........................................... 391

5. Zwischenfazit.......................................... 394

VII. PUBLIK AUF DER WÜRZBURGER SYNODE ......................... 397

1. »Publik-zistik«: die Gutachten Forsters, Schmolkes

und Wagners ........................................... 401

2. Die synodale Debatte um die katholische Publizistik .......... 415

a) Sachkommission VI versus Gemischte Kommission ....... 416

b) Das publizistische Gesamtkonzept der Bischöfe . .......... 429

c) Publik als Negativexempel für eine kirchliche

Entscheidungsfindung . ............................... 435

3. Das Arbeitspapier »Kirche und Gesellschaftliche

Kommunikation«....................................... 437

4. Zwischenfazit.......................................... 440

Exkurs: 25 Jahre AKP: bestimmte Zielsetzungen für

bestimmte Zielgruppen .................................. 445

Inhaltsverzeichnis 11

VIII. DIE GEBURT VON PUBLIK-FORUM.............................. 451

1. Entwicklungen nach der Synode: der Neuanfang »von unten« . . 451

2. Verhandlungen in Münster. Eine Neuauflage von Publik?...... 456

3. Ein »Stufenplan in großen Umrissen« ...................... 460

4. Leserinitiative Publik e. V. und weitere Entwicklung .......... 463

5. Zwischenfazit.......................................... 473

IX. DER AVVENIRE IN ITALIEN: EIN VERGLEICH ...................... 475

1. Die Situation der italienischen Presse in den 1960er und

1970er Jahren.......................................... 476

2. »Il quotidiano dei cattolici«: die Gründung des Avvenire

im Jahr 1968 ........................................... 479

3. »il vero fondatore«: Papst Paul VI. und die katholische

Presse Italiens.......................................... 480

4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Publik und

Avvenire .............................................. 483

5. Zwischenfazit.......................................... 490

X. FAZIT: »KEINE EXPERIMENTE«? . ............................... 493

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN UND TABELLEN . ...................... 503

ANHANG...................................................... 505

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS.............................. 509

SUMMARY...................................................... 541

PERSONEN-, ORTS- UND SACHREGISTER.............................. 543





Einordnung für die Bildungsarbeit



Globales Lernen braucht den Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen in Geschichte und Gegenwart. Die Geschichte der katholischen Wochenzeitung Publik dauerte nur knapp drei Jahre und fällt in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs mit vielen neuen Orientierungen, auch eine Zeit von Neuorientierung in der katholischen Kirche. In diesem Buch wird gründlich analysiert und vor allem in einer gut lesbaren Form präsentiert. Lehrkräfte und Studierende finden fundierte Informationen zu einem wichtigen Abschnitt unserer gesellschaftlichen Zeitgeschichte. Im Unterricht der Sekundarstufe II kann das Buch auch von Schülerinnen und Schülern (z.B. für Referate und Hausarbeiten) gut genutzt werden.



Martin Geisz, Januar 2016



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