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Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen
Buchhinweis
Stichworte: Reformationsgeschichte, Bauernkriege, Theologie, |
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Bibliographische Angaben: |
Goertz,
Hans-Jürgen: Thomas Müntzer. Revolutionär am Ende
der Zeiten
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Zum Buch:
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„Die Freiheit des Christenmenschen“ ist eines der großen Themen der Reformation in Deutschland. Luthers Beitrag ist in aller Munde und soll 2017 in einem großen Jubiläumsjahr gefeiert werden. Thomas Müntzer, einer der Reformatoren und Zeitgenosse Luthers, hat die „Freiheit des Christenmenschen“ nicht nur religiös und unter Schonung der Fürsten und Landesherrn gesehen, sondern er hatte auch die politische Freiheit und dazu notwendige Revolution im Blick. Er war Partei im Bauernkrieg, wurde nach der Niederlage der Bauern gefoltert und hingerichtet. Das Begräbnis wurde ihm verweigert. Luther hatte weder Sympathie noch Mitleid mit den Aufständischen, sondern verdammte sie mit deutlichen Worten. Nur eine kurze Zeit war Müntzer mit Luther in Glaubensfragen einig, aber dies hielt nicht an – vor allem nicht bei der Frage, wie das Verhältnis zur (das Volk unterdrückenden) Obrigkeit sein soll. „Der schwerste Konflikt im Zuge der frühreformatorischen Bewegungen war zweifellos der Deutsche Bauernkrieg. Für Müntzer begann auf dem Schlachtfeld das endzeitliche Gericht Gottes über eine von Gottlosen beherrschte Welt. Eine apokalyptische Deutung diesem 'Ereignis auch Martin Luther. In den Haufen der Bauern sah er eine vom Satan entfesselte Rotte ins Verderben sehen“ (S.23), schreibt der Autor des Buches. Dahinter steht allerdings auch der jeweils deutlich andere Blick auf die staatliche Autorität. Luther, den Fürsten, die ihn seine Ideen und vor allem seine Auseinandersetzungen mit der römischen Kirche (nicht nur aus theologischen und Glaubensgründen) mit Wohlwollen sahen und stützten auf der einen Seite, Müntzer, der sich auf die Seiten der mehr Freiheit fordernden Bauern stellte und die staatliche Obrigkeit mit revolutionären Gedanken sahen. (Der Autor formuliert es so: „Der eine hat eine Position eingenommen, die auf dem Feld politischer und sozialer Auseinandersetzungen letztlich die Autorität der weltlichen Obrigkeit stärkt, der andere denkt aus der Perspektive derjenigen, die gerade unter der Autorität leiden , sich aufbäumen und eine Besserung der Lage von der Herrschaft Gottes auf Erden erwarten. Eine Vermittlung war zwischen diesen beiden Positionen nicht mehr möglich. Es blieb bei schroffer letzter Gegensätzlichkeit“ (S. 178)). Das Inhaltsverzeichnis (siehe unten) vermittelt die ganz verschiedenen Zugänge des Buches zum Leben Thomas Müntzers. In diesem Buch beschränkt sich Hans-Jürgen Goertz nicht auf die politisch – historischen Geschehnisse im Leben Thomas Müntzers bis hin zu den blutig beendeten Bauernaufständen, er geht auch nicht den Weg, den viele Theologen gehen, in dem Sie von der von „Schwärmern - wie Thomas Müntzer - hervorgerufenen Krise der Reformation“ reden, sondern er sucht nach der Bedeutung von Müntzers Theologie, Predigt und Einsatz in seiner Zeit. Er kommt so zu einem birl weiteren „Bild“ von Thomas Müntzers Leben. Er fügt dem Buch im letzten Kapitel eine differenzierende Betrachtung auch der „theologischen Botschaft“ und reformatorischen Akzente des Theologen Thomas Müntzer hinzu. So gibt das Buch einen wichtiger Impuls für das Reformations- Jubiläumsjahr, das neue Zugänge auch zu Thomas Müntzer öffnen kann. „Heute ist nicht zu fragen, wie sich Müntzers Theologie in eine bestehende Kirche integrieren lässt oder wie in seinem Sinn eine Theologie zu entwerfen wäre, die Aktualität in der Gegenwart für sich beanspruchen könnte, sondern nur, welche Impulse von seinem theologischen Denken hier und da aufgenommen und im ökonomischen Gespräch weiterentwickelt werden können. Mehr ist von keiner Gestalt, die sich in ihrer Zeit verausgabt hat, zu erwarten“ (S. 276). Mit seinem schrecklichen Ende, das so gar nicht Freiheit und Hoffnung für Christenmenschen aufscheinen lässt, ist allerdings Müntzers Geschichte nicht zu Ende gewesen. Er wurde zu einem wichtigen Bezugspunkt für Philosophen:Friedrich Engels würdigt ihn im Gegenbild zu Luther als Revolutionär (Der deutsche Bauernkrieg - Vollständige Ausgabe letzter Hand: Revolution des gemeinen Mannes (1524-1526)- II. Die großen oppositionellen Gruppierungen und ihre Ideologien - Luther und Müntzer). Ernst Bloch stellt den positiv utopischen Charakter in Leben und Wirken Müntzers heraus (Ernst Bloch: Thomas Münzer als Theologe der Revolution ), hierhin gehört auch die Wertschätzung die Müntzer in der DDR von Seiten der offiziellen Politik, aber auch von Historikern und Geisteswissenschaftlern erfahren hat und die trotz aller Widrigkeiten durchaus im gesamtdeutschen „Dialog“ kontrovers diskutiert und vertieft worden ist.
Inhaltsverzeichnis Einleitung
zum Autor: Hans Jürgen Goertz ist Professor em. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Hamburg. Er gilt international als einer der führenden Müntzer-Experten. Er ist Vorsitzender der Thomas-Müntzer-Gesellschaft e.V. (http://www.thomas-muentzer.de).
Leseprobe: http://www.chbeck.de/fachbuch/zusatzinfos/Leseprobe_Thomas-Muentzer.pdf |
Einordnung für die Bildungsarbeit |
Die Feierlichkeiten zum Jubiläumsjahr 2017 werden an den Schulen nicht einfach so vorbeigehen. Es wäre gut, wenn sich auch hier nicht alle Zugänge auf Leben und Wirkung Martin Luthers allein beziehen würden. Der Blick auf Thomas Müntzers Leben und Wirken bietet vielfache Ansätze, auch andere und erweiternde Perspektiven einzubringen. Globales Lernen in seinen vielen Facetten, hat die Zeitenwende im 16. Jahrhundert immer wieder im Blick: Im Geschichtsunterricht, wenn es um die Grundlagen und Entwicklungen hin zur Moderne geht, für die auch Thomas Müntzer besonders im Blick auf seine Rolle in den Bauernkriegen steht, in der politischen Bildung, wenn Weltreligionen und ihr gesellschaftliches Engagement und ihre Bedeutung für die Gesellschaften in Geschichte und Gegenwart zum Thema werden. „Philosophie-lernen“ und Religionsunterricht wird Thomas Müntzer über die historischen Zusammenhänge hinaus in den Blick bekommen, wenn es um die Frage nach „Engagement für andere“ und/oder um das Verhältnis von persönlicher Überzeugung und Entscheidungen für oder gegen die staatliche Obrigkeit geht. Auch Martin Luther kommt hierbei neu in den Blick, weil Zusammenhänge – wie der deutsche Bauernkrieg – um viele in der Schule gern vernachlässigte Perspektiven erweitert werden. Dieses Buch bietet Studierenden, Lehrkräften und SchülerInnen der Leistungskurse in der Sekundarstufe II viele Informationen und viele Zugänge. Damit bietet es auch viele Anknüpfungspunkte für einen Perspektiven erweiternden Unterricht. |
Martin Geisz, 2016