Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen

Buchhinweis


Stichworte: Faschismus, Identitätsfindung, Hitlerjugend







Bibliographische Angaben:



André Postert: Hitlerjunge Schall. Die Tagebücher eines jungen Nationalsozialisten. dtv München 2016. ISBN 978-3-423-28105-8






Zum Buch:












Franz Albrecht Schall (1913 – 2001) hat von 1928 bis 1935 Tagebuch geführt. Die Aufzeichnungen begleiten den Weg des in der Hitlerjugend aufwachsenden Jugendlichen von den letzten Jahren der Weimarer Republik, dem Aufstieg der NSDAP vor dem Hintergrund der Krisenjahre bis zur Machtergreifung mit der immer effektiveren Etablierung der NS – Diktatur.



André Postert formuliert zusammenfassend: „Nicht wenige, die in der NS -Diktatur wichtige Posten besetzten, waren als Jugendliche in dieser Phase der HJ entscheidend geprägt worden. Um die »alte Garde« der Bewegung zu würdigen, verlieh die NS -Diktatur über 120 000 HJ -Ehrenzeichen an jene, die schon während des Kampfes gegen die Demokratie von Weimar in den Reihen der Bewegung gestanden hatten. Franz Albrecht Schall war einer von ihnen. Auf diesem Hintergrund sind seine wiedergefundenen Tagebücher ein spannendes Dokument. Zum einen decken sie die Faszination auf, die der Nationalsozialismus auf Kinder und Jugendliche ausüben konnte, zum anderen wird die gefährliche Prägekraft einer politischen Bewegung ersichtlich, die das Bedürfnis junger Menschen nach Sinn- und Identitätsstiftung schon früh geschickt für sich zu nutzen wusste“ (S. 11).

Das Tagebuch wird im Buch ausführlich dokumentiert (Kapitel II). In Kapitel III wird den weiteren Lebensstationen F. A. Schalls Raum gegeben. In der Bundesrepublik findet er in der Pfadfinderbewegung ein Wirkungsfeld. Auf der Bundesebene der Pfadfinder setzt er sich „für die Vermittlung handwerklicher und musischer Fähigkeiten“ (S. 334) ein. A. Postert kommt zu einer bewertenden Aussage: „Zwar sah er er die Ideen seiner Jugend durch die 'Verbrechen für immer verdunkelt', aber die Hitlerjugend verstand er bis zuletzt als ein Opfer, weniger als Teil des Systems. … Auch jetzt noch war er überzeugt davon, dass es sich bei ihr um eine echte Jugendbewegung – in der Tradition der bündischen Jugend oder des Wandervogels – gehandelt habe. Deren Ziel sei es gewesen, soziale Ideale in einer Rebellion gegen die bürgerlich – kapitalistische Welt durchzusetzen. … Über den Holocoust und den Völkermord an den Juden äußerte er sich in seinen enthaltenen Briefen nicht“ (S. 340 f).



Inhalt


I Einleitung


Die Geschichte der Tagebücher

Die Hitlerjugend in der »Kampfzeit«

Schalls Tagebücher als historische Dokumente



II Die Tagebücher


1928–1930: Der Weg in die NS-Bewegung

1931: Ein junger Aktivist

1932: Der Parteigenosse

1933: Hitlerjunge in der Diktatur

1934: Ein sogenannter Erwachsener

1935: Der Student



III Franz Albrecht Schall 1935–2001 315


Lehrer an den Adolf-Hitler-Schulen

Der Vater in Gestapo-Haft

Krieg und Nachkriegszeit

Konflikte zwischen den Generationen


zum Autor: André Postert

André Postert, Dr. phil., Jg. 1983, hat Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen studiert und 2013 am Lehrstuhl von Wilfried Loth seine Promotion abgeschlossen. Seit 2014 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut in Dresden. Seine Forschungsschwerpunkte: Konservatismus/Konservative Revolution, Opposition und Widerstand, Jugendorganisationen in der NS-Diktatur, Mentalitätsgeschichte.






Einordnung für die Bildungsarbeit



Was fasziniert Jugendliche, die sich von Erwachsenen abgrenzen wollen/sollen? Wer bietet ihnen Richtungen, Wege und Ideale? - Dies sind Fragen, denen sich auch Bemühungen um Globales Lernen und Philosophie – lernen stellen müssen. Dieses Buch bietet einen Blick in die Geschichte, die für SchülerInnen heute weit zurück liegt. Dies ist eine Chance vom Blick in die Geschichte aus auch Entwicklungen heute in den Blick zu nehmen und sich im Unterricht damit auseinanderzusetzen. f

Mir ist besonders wichtig, dass der Autor auch den Blick in die Gedankenwelt des ehemaligen Hitlerjungen - der offensichtlich in der bundesrepublikanischen Pfadfinderbewegung einen wichtigen Platz eingenommen hat - lange nach dem Ende des Faschismus in Deutschland in die Darstellung aufgenommen hat. Hier ergibt sich viel Gesprächs- und Diskussionsstoff für Lerngruppen in vielen Fächern (Geschichte, politische Bildung, Ethik und Religion). ...






Martin Geisz, Oktober 2016