Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen
Buchhinweis
Stichworte: Katholische Kirche, Akteure Globalisierung
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Bibliographische Angaben: |
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Zum Buch:
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„Rom im Juli 1859: Eine Nonne im Kloster Sant'Ambrogio entgeht nur knapp einem Mordanschlag. Sie bringt einen Inquisitionsprozess ins Rollen, in dessen Verlauf Unglaubliches zu Tage tritt: Nonnen verfallen eigentümlichen ekstatischen Zuständen, sexueller Missbrauch von Novizinnen durch Mitschwestern und Beichtväter, Dämonenaustreibungen und angebliche Wunder sind in diesem Kloster an der Tagesordnung, Zweiflerinnen werden zum Schweigen gezwungen oder für immer beseitigt. Beteiligt daran sind nicht nur machthungrige, von religiösen Wahnvorstellungen beherrschte Nonnen und Priester, sondern auch ein Netzwerk von einflussreichen Theologen und Kardinälen mit besten Kontakten zum Papst. Die Akten des Prozesses verschwanden für alle Ewigkeit in den vatikanischen Archiven. Doch Hubert Wolf hat sie unter thematisch völlig unpassenden Dokumenten aufgespürt und die unerhörten Ereignisse erstmals genau rekonstruiert.“1 Das Inhaltsverzeichnis ermöglicht einen ersten Blick auf den Verlauf der wahren Geschichte, die durch die Arbeiten des Autors nach langer Geheimhaltung im Vatikan aus den Archiven „hervorgeholt und öffentlich gemacht wird. Es geht um Ereignisse in Rom während des Ponitfikats von Pius IX – in dessen Amtszeit das 1. Vatikanische Konzil das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes verkündet (das Dogma wurde von Josef Kleutgen maßgeblich mitformuliert 2– eben dieser Joseph Kleutgen war tief in die hier erzählt Geschichte verstrickt und am 18. Februar 1862 vom kirchlichen Gericht als Häretiker verurteilt, woraufhin er feierlich abschwor. Er wurde für zwei Jahre aus Rom verbannt. Der Autor charakterisiert das geistige Klima in Rom so; „Während am Beginn des Pontifikates Pius’ IX. liberale Kardinäle und Prälaten beim Papst genauso ein offenes Ohr gefunden hatten wie Hardliner und Intransigente, verschoben sich die Gewichte eindeutig zugunsten der Letzteren. So war Rom in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchaus eine Stadt des religiösen Pluralismus gewesen. Die Parteiungen und theologischen Richtungen, die es etwa in Deutschland und Frankreich gab, spiegelten sich auch an der Römischen Kurie mit ihren Büros und Kongregationen wider. Den Kurialen, die eine Versöhnung von Kirche und Welt, von moderner Philosophie und katholischem Glauben anstrebten, standen Romantiker und Neuscholastiker gegenüber, die in der Philosophie des heiligen Thomas von Aquin die einzig denkbare Basis für den Katholizismus sahen. Vor allem der Jesuitenorden und das von ihm dominierte Collegio Romano wurden mehr und mehr zum Hort der Neuscholastik und der Hyperorthodoxie in Rom, während sich etwa die Benediktiner der Abtei Sankt Paul vor den Mauern einem offenen, pluraleren Modell von Frömmigkeit und Theologie verschrieben, das neuere philosophische Ansätze einbezog. Der Papst stellte sich nach 1848 immer eindeutiger auf die Seite der Konservativen und ließ abweichende theologische Meinungen durch die Inquisition und die Indexkongregation verfolgen. Zahlreiche moderne Theologen landeten auf dem Index der verbotenen Bücher , der von einem Instrument zur Kontrolle des gesamten Buchmarktes in der Zeit Pius’ IX. immer mehr zum Instrument der Disziplinierung innerkirchlicher Selbstdenker wurde.“3 Vor diesem Hintergrund entwickelt sich eine Geschichte, die auch als Kriminalroman betrachtet werden kann. - Der Epilog
Inhalt Inhalt Dramatis personae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 prolog «Rette, rette mich!» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Erstes Kapitel «Solche Schändlichkeiten» Katharina von Hohenzollern erstattet Anzeige bei der Inquisition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 | Rom als himmlisches Jerusalem 17 | Ein Damaskuserlebnis und seine Folgen 22 | Eine römische Klosteridylle 29 | Rettung aus der Kloster- hölle 33 | Anzeige aus Gewissenspfl icht 36 | Das Geheimnis von Sant’Ambrogio 38 | Ein besessener Nonnenverführer 41 | Eine falsche Heilige 43 | Giftanschläge 48 | Die Sicht des Retters 56 | Zweites Kapitel «Die delicatezza der Angelegenheit als solcher» Außergerichtliche Voruntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . 63 | Informelle Sondierungen 63 | Die Aussage der Ausgestoßenen 68 | Zwei Nonnen in einem Bett 73 | Unkeuschheit und Sodomie 78 | Ein Dominikaner will es ganz genau wissen 81 | Zahlreiche überzeugende Beweise 85 | Nun doch ein Inquisitionsprozess 88 | Die Inquisition als Tribunal: Verfahren und Akteure 92 | Die Quellen aus dem Archiv der Glaubenskongregation 97 |
Drittes Kapitel «Ich bin der kleine Löwe meiner reformierten Schwestern» Der Informativprozess und die Verehrer der Mutter Gründerin . 105 | Das Kloster Sant’Ambrogio della Massima 105 | Franziskanerinnen vom Dritten Orden 107 | Agnese Firrao wird als Heilige verehrt 113 | Agnese Firrao wird der falschen Heiligkeit bezichtigt 117 | Das Urteil der Inquisition von 1816 120 | Die wunderbare Bekehrung Leos XII. 125 | Wahre und falsche Heiligkeit 129 | Beweise für den fortdauernden Kult der Firrao 135 | Die geheime Äbtissin 140 | Reliquien 142 | Inspirierte Texte 145 | Eine Frau als Beichtmutter 147 | Beichtväter verkünden den falschen Kult 149 | Viertes K apitel «Wasch mich gut, denn der Pater soll kommen» Die angemaßte Heiligkeit der Madre Vicaria . . . . . . . . . . 153 | Visionen auf dem Weg zur Macht 153 | Mystik und Mystizismus 159 | Der irdische Ursprung von Himmelsringen und Rosenduft 164 | Die Gottesmutter schreibt Briefe 171 | Das marianische Jahrhundert 179 | Die Fälscherwerkstatt für Marienbriefe 183 | Seelsorgerlicher Beistand im Bett 191 | Lesbische Intimitäten in der Klosterzelle 197 | Das System Sant’Ambrogio 202 | Fünftes Kapitel
«Eine Tat in göttlicher Herrlichkeit» Mord auf Befehl der Gottesmutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 | Der Americano und sein obszöner Brief 207 | Der Strick um Katharinas Hals 212 | Himmelsbriefe kündigen die Ermordung Katharinas an 215 | Dramaturgie einer Vergiftung 219 | «Es war mit Sicherheit der Teufel» 239 | Weitere Morde 244 | Geld, das vom Himmel fällt 250 | Die Beichtväter als Mitwisser und Mittäter 252 | Das Ergebnis des Informativprozesses 254 | Sechstes Kapitel
«Das ist ein himmlischer Liquor» Der Akkusationsprozess und das Verhör der Madre Vicaria . . . 259 | «Ich wollte immer schon Nonne werden» 259 | Die Geschichte eines Unschuldslammes 262 | Beweise und erste Geständnisse 273 | Maria Luisa
und ihre Novizinnen 275 | Sexueller Missbrauch 278 | Jesuitische Beichtväter und ihr ganz besonderer Segen 286 | Die Aff äre des Beichtvaters mit Alessandra N. 290 | Maria Luisa und Pater Peters zwischen Sex und Segen 294 | «Meine einzige Verteidigung ist Jesus Christus» 298 | Siebtes Kapitel «Jener gute Pater hat das Werk Gottes verdorben» Die Verhöre von Beichtvater und Äbtissin . . . . . . . . . . . . 305 | Giuseppe Leziroli: ein Beichtvater vor Gericht 305 | Der Apostel der heiligen Agnese Firrao 307 | Der Beichtvater und die heilige Maria Luisa 312 | Leziroli und die Giftanschläge 316 | Maria Veronica Milza: eine Äbtissin vor Gericht 320 | Geständnisse 325 | Achtes Kapitel «Während dieser Taten das innere Gebet niemals eingestellt» Das Verhör von Giuseppe Peters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 | Die wahre Identität von Pater Peters 329 | Spontane Bekenntnisse des Angeklagten 337 | Ein Kardinal bricht das Geheimnis des Heiligen Offi - ziums 348 | Und der Kult der Firrao war doch erlaubt 352 | Theologie und Zungenküsse 358 | Neuscholastische Windungen 368 | Der Schlussantrag des Gerichts 373 | Ein Stellvertreterkrieg? 376 | Neuntes Kapitel «Betrübt und reuevoll» Das Urteil und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 | Konsultoren, Kardinäle, Papst: das Urteil 385 | Abschwörung im Internen und Geheimhaltung nach außen 392 | Klostergründerin statt Nonne 398 | Vergiftungstrauma eines Kardinals 405 | Die Großen lässt man laufen 411 | Eine Heilige im Irrenhaus 414 | Ein Häretiker schreibt Dogmen 421 | Epilog
Das Geheimnis von Sant’Ambrogio im Urteil der Geschichte
Zum Autor:
Hubert Wolf , geboren 1959, ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster. Leseprobe: http://www.chbeck.de/fachbuch/zusatzinfos/Leseprobe_Die-Nonnen-von-Sant%27Ambrogio.pdf |
Einordnung für die Bildungsarbeit |
Der kritisch-skeptischen Blick auf Globale Entwicklungen und ihre Hintergründe gehört zum Globalen Lernen. Ein wichtiger Akteur in der globalisierten Welt ist die katholische Kirche - bis heute auf die an der Spitze ihrer hierarchischen Strukturen stehenden Päpste ausgerichtet. Dieses Buch – von einem katholischen Professor für Kirchengeschichte geschrieben – setzt gerade im Blick auf hierarchische Strukturen und „Unfehlbarkeit“ Akzente, die lange geheimgehalten und/oder gar unterdrückt worden waren. Die Geschichte der Nonnen von Sant' Abrogio in Rom ist darüber hinaus sehr unterhaltsam lesbar Für Studierende, Lehrkräfte und fortgeschrittene SchülerInnen der Sekundarstufe II bietet das Buch viele Denkanregungen und Impulse im Blick auf Reformen in der großen Institution.
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Martin Geisz, JUNI 2015
2„Fest steht aber, dass mit Kleutgen ein ehemals wegen formaler Häresie verurteilter Ketzer an der Konzeption des Unfehlbarkeitsdogmas aktiv mitwirkte.“ S. 431
3S.20