Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen


Buchhinweis



Stichworte: anthropologische Grundlagen, Psychologie, Erkrankungen, Lebenshilfe








Bibliographische Angaben:



David Adam: Zwanghaft . Die Geheime Welt der Obsessionen . dtv premium
Aus dem Englischen von Ursula Pesch. Deutsche Erstausgabe. 300 Seiten. München 2015
ISBN 978-3-423-26049-7



Zum Buch:










Essstörungen, Waschzwang, Ordnungszwang, den Drang zur Selbstverletzung und vieles andere mehr sind Verhaltensweisen, von denen bis zu drei Prozent der Bevölkerung betroffen sind. „Zwangsgedanken“ und „Zwangsstörungen sind Thema dieses Buches1. Der Autor – selbst zwanzig Jahre lang Opfer einer Zwangsstörung umschreibt seinen Ausgangspunkt: „Noch bis in die 1980 er-Jahre hielten die Psychiater Zwangsgedanken und Zwangshandlungen für äußert selten. Heute gehen sie davon aus, dass zwischen zwei und drei Prozent der Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens an einer Zwangsstörung leiden. In Großbritannien wären das eine Million, in den USA rund fünf Millionen Menschen. Zwangsstörungen stehen an vierter Stelle der häufigsten psychischen Erkrankungen nach den großen drei – Depression, Drogenmissbrauch und Angststörung. Zwangsstörungen kommen doppelt so häufig vor wie Autismus und Schizophrenie. Laut der Weltgesundheitsorganisation stehen Zwangsstörungen an zehnter Stelle der schweren chronischen Erkrankungen. Sie schränken die Lebensqualität noch stärker ein als Diabetes. Doch die Erkrankten warten normalerweise ein Jahrzehnt oder länger, bevor sie Hilfe suchen. Männer und Frauen sind gleichermaßen von Zwangsstörungen betroffen. Sie entwickeln sich gewöhnlich im frühen Teenageralter, in der späten Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter, können aber ein Leben lang anhalten. Es gibt keine kulturellen, ethnischen oder geografischen Grenzen. Zwangsstörungen sind ein soziales Handicap und eine gesellschaftliche Belastung. Kinder mit Zwangsstörungen wünschen sich besonders gern Freunde, finden aber seltener welche. Erwachsene mit Zwangsstörungen sind eher arbeitslos. Sie belasten in hohem Maße ihre Familien. Sie leben häufiger bei ihren Eltern und sind oft unverheiratet. Wenn sie heiraten, haben sie seltener Kinder. Sie werden schneller geschieden. Und dennoch erkennen viele Ärzte weder die Anzeichen und Symptome einer Zwangsstörung noch deren Bedeutung. Bei nur wenigen Betroffenen kommt es zu einer Spontanheilung, dennoch suchen zwei Drittel der Erkrankten nie einen Arzt auf.“2 Das Buch bietet sorgfältig recherchierte und in Anmerkungen dokumentierte Fallbeispiele verbunden mit Basisinformationen zu Krankheitsbild, Therapie und Heilung.

Das Inhaltsverzeichnis verdeutlicht die Informationsschwerpunkte des Buches, das Fallbeispiele mit vertiefenden medizinisch-anthropologisch-psychiatrischen Informationen zu verbinden versucht.

Inhalt

1 Unsere Belagerungsmentalität 9

2 Schlechte Gedanken 21

3 Die Mademoiselle und der Rattenmann 43

4 Die Entdeckung der Zwangsstörung 62

5 Die OCD -Familie 80

6 Quälen, um zu heilen 97

7 Gott und Zwangsstörungen 110

8 Tiere und andere Verwandte 128

9 Das Generationenspiel 145 10

Das unkontrollierbare Gehirn 164

11 Daddy’s Little Helper 180

12 Die Hubschrauberperspektive 192

13 Lang lebe die Lobotomie 208

14 Politik und Vorurteil 230

15 Eine neue Dimension 243

16 Abschließende Gedanken 262 Danksagung 275

Anmerkungen und Literaturhinweise 277

Anhänge 298



David Adam, Dr. rer. nat., Jg. 1972, ist Wissenschaftsjournalist und Redakteur bei 'Nature'. Vorher hat er lange als Wissenschaftskorrespondent für den 'Guardian' gearbeitet. Er hat Reportagen über die Arktis, die Antarktis, China und den Dschungel des Amazonas geschrieben und wurde von der Association of British Science Writers zum Autor des Jahres nominiert. David Adam lebt mit seiner Familie in London. 3

Probeseiten: http://www.dtv.de/special/david_adam_zwanghaft/leseprobe/2176/



Einordnung für die Bildungsarbeit



Essstörungen, Waschzwang, Ordnungszwang, den Drang zur Selbstverletzung begegnen Pädagogen in der Schule bei Schülerinnen und Schülern, Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen immer wieder und machen ratlos. Es geht für Lehrkräfte nicht darum, therapeutisch tätig zu werden oder gar den Arzt zu ersetzen, aber ein Verständnishorizont ist notwendig und kann zumindest helfen, vorschnelle Urteile zu fällen und verrletzende Reaktionen zu vermeiden. Dieses Buch ist kein Handbuch, gibt auch keine schnellen Tipps. Was es bietet sind einführende Informationen und Angebote für die Suche nach dem Verständnis – für Studierende und Lehrkräfte.







Martin Geisz, 2015


1„Es ist nicht leicht zu vermitteln, was Zwangsstörungen, also schwere, krankhafte Zwänge, die das Denken restlos vereinnahmen, eigentlich sind. So wie das menschliche Gehirn Schwierigkeiten hat, sich die Dauer der geologischen Erdzeitalter, die Geschwindigkeit von Teilchen oder sogar die Anzahl der Flügelschläge eines Kolibris pro Sekunde vor- zustellen, so unbegreiflich ist es auch, dass eine einzige Idee, ein einziger Gedanke den Verstand tage-, wochen-, monate-, ja jahrelang beherrschen kann. ... Zwangsstörungen sind ein großes Fenster, das man nicht verkleinern, verschieben oder schließen kann. Selbst wenn andere Aufgaben in den Vordergrund treten, bleibt das Ob- sessionsfenster im Hintergrund geöffnet. Es arbeitet un- unterbrochen und nimmt alle Aufmerksamkeit in Beschlag. Es entzieht der Batterie permanent Energie, die dann für die Ausführung anderer Aufgaben fehlt. Und nach einer Wei-le wird es richtig frustrierend. Man kann das Beenden des Programms nicht erzwingen und das Gerät nicht aus- oder einschalten. Wann immer man wach ist, ist das Fenster da. Und wenn es gelingt, die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken, ist einem gegenwärtig, dass man dies bewusst tut. Schon bald fordert die Zwangsstörung die Aufmerksamkeit zurück. Manchmal scheint sie verschwunden, normalerwei-se, wenn man gerade aufwacht. Der Bildschirm ist leer. Doch sobald man eine Taste drückt, die Maus bewegt, das Gehirn in Gang setzt, schwupp, taucht sie wieder auf.“ S. 15

2S. 16 f

3http://www.dtv.de/autoren/david_adam_16645.html